9.12.23: Ludwig Quidde der fast unbekannte Nobelpreisträger

Ludwig Quidde

Eine gutbürgerliche Erscheinung der 20er Jahre des vorigen Jahrhunderts, steifer Kragen; der Blick wach, intelligent, neugierig, vielleicht skeptisch, aber nicht resigniert. Ein älterer Herr im guten Sinne, ein Wissenschaftler, ein Diplomat, ein Politiker?

Ja, aber mehr noch: ein Träger des Friedensnobelpreises im Jahr 1927!

Den Preis bekommt er zusammen mit dem französischen Pazifisten Ferdinand Buisson – kein Zufall, denn Ludwig Quidde engagiert sich im Rahmen seiner friedenspolitischen Aktivitäten schon vor dem 1. Weltkrieg auch für die deutsch-französische Verständigung. Heute ein Selbstverständnis, damals eher eine „unpatriotisch“ und damit auch eine gefährliche Ausnahmehaltung!

Sein Werdegang vor den beiden Weltkriegen macht viele gesellschaftspolitische Gegensätze und Entwicklungen dieser Zeit deutlich, wenn auch aus der Perspektive des konservativen Bürgerlichen aus gutem Hause mit Abitur, Studium und Promotion. Es wird aber für ihn keine akademische Laufbahn geben ohne Brüche. Die Ursachen liegen vermutlich in seinen Überzeugungen: er ist unbeirrbar linksliberal und pazifistisch- und das in Zeiten eines starken Nationalismus und Militarismus auf der einen Seite und einer beginnen- den linken Revolution auf der anderen.

Seine beruflichen Tätigkeiten als Historiker, als Publizist, als Friedensaktivist und als Politiker enden alle im Konflikt mit Zeitströmungen. Als Historiker schreibt er im Jahr 1894 Caligula – Eine Studie über römischen Cäsarenwahnsinn, eine beeindruckende althistorische Untersuchung, aber gleichzeitig auch eine nur notdürftig verhüllte Satire über Kaiser Wilhelm II. und dessen Vorliebe für prunk- und ruhmsüchtige Aktionen und kriegerisches Schaugepränge. Die deutsche Historikerzunft beendet daraufhin faktisch seine wissenschaftliche Laufbahn.

Schon ein Jahr vorher hatte er das Pamphlet Der Militarismus im heutigen Deutschen Reich – Eine Anklageschrift anonym veröffentlicht. Der Militarismus sei gewissermaßen Staatsraison, der Typ des zackig auftretenden Offiziers sei das gesellschaftspolitische Leitbild, an der Spitze des Staates stehe der mit Uniform und Orden operettenhaft verkleidete Kaiser Wilhelm II. mit seiner aggressiven Außenpolitik mit massiver Aufrüstung. Einige Zeit später wird Ludwig Quidde nach seinem satirischen Seitenhieb gegen Wilhelm II. wegen Majestätsbeleidigung sogar zu einer dreimonatigen Haftstrafe in München Stadelheim verurteilt.

Seit dem Jahr 1893 ist Quidde politisch aktiv in der linksliberalen Volkspartei, die seiner antimilitaristischen, antipreußischen, demokratischen und pazifistischen Orientierung entspricht. Bei all seinen politischen Aktivitäten bleibt er seiner Überzeugung treu. In den Jahren 1907 bis 1918 ist er Mitglied im Bayerischen Landtag, kämpft bis 1914 gegen die Militarisierung des öffentlichen Lebens. Nach der Revolution im November 1918 wird er Vizepräsident des Provisorischen Bayerischen Nationalrats. Er befürwortet den Sturz der Monarchie, lehnt aber Arbeiter-, Bauern- und Soldatenräte ab. In den 20er Jahren tendiert der bürgerliche Liberalismus immer mehr in Richtung Nationalismus und Revanchismus. Die Deutsche Demokratische Partei – Quidde ist für sie Abgeordneter in der Weimarer Nationalversammlung ist an der ersten Regierung der Weimarer Republik beteiligt. Nach der Neuausrichtung im November 1930 ist sie für ihn nicht mehr tragbar.

Neben seinen publizistischen und politischen Engagements gegen Antisemitismus, gegen Tierversuche, gegen antidemokratische Umtriebe und für soziale Ziele ist er vor allem mit vielen Initiativen und Funktionen in der Friedensbewegung tätig. So leitet er ab dem Jahr 1899 die deutsche Delegation an den Weltfriedenskongressen und im Jahr 1907 organisiert er den 16. Weltfriedenskongress in München. Vom Mai 1914 ist er Vorsitzender der Deutschen Friedensgesellschaft bis 1929. Wegen seiner aufrechterhaltenen Kontakte zu ausländischen Pazifisten und seines unermüdlichen Eintretens für den Frieden selbst während und nach dem 1. Weltkrieg wird er heftig angefeindet. Als er im Jahr 1924 die vertragswidrige Rüstung der Reichswehr anprangert, droht ihm nach der Verhaftung die Todesstrafe wegen Landesverrat. Proteste und außenpolitische Bedenken des Außenministers Stresemann bringen ihn wieder frei.

Zum Scheitern seiner pazifistischen und politischen Tätigkeit kommen private Turbulenzen in der Partnerschaft. Auch ist das ererbte Vermögen aufgebraucht, der Nobelpreis hilft ihm finanziell nur kurz über die Runden. Ab der Machtergreifung Hitlers ist er in akuter Gefahr. Am 18. März 1933 flieht er in die Schweiz, nach Genf. Er stirbt dort im Jahr 1941, während im übrigen Europa wieder ein Krieg tobt.

Dies ist ein Portrait in der Broschüre StarkeFrauenStarkeMänner von Karl Hohenadl.

Es darf mit freundlicher Genehmigung hier von uns erscheinen.

Der Maler Karl Hohenadl hat 37 Persönlichkeiten aus dem öffentlichen Leben  im Portrait gemalt und dazu jeweils eine Kurzbiografie geschrieben. Dazu gehören Franz Marc, Tina Turner, Günter Wallraff, Karl Marx, Alice Schwarzer, Greta Thunberg und eben der Radikaldemokrat und Friedensnobelpreisträger Ludwig Quidde.

Die gesamte Broschüre kann in seinem Atelier in der Erich-Kästner-Straße 24, 80796 München bestellt werden. Aktuell sind einige  Portraits dort auch ausgestellt.   

karl@hohenadl.de


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